Ein Zyklus des Zeichners Fritz Klier mit Texten von Pfarrer Dr. Hans Würdinger
Die Ausstellung ist bis zum 2. Mai 2004 zu sehen.
Hans Würdinger
„Was ist Wahrheit?“
Diese Grundfrage im Prozess des römischen Statthalters Pontius Pilatus gegen Jesus von Nazaret beschäftigt einen die Theologie und die Kunst in gleicher Weise. Mit ihren eigenen Methoden und Ausdrucksweisen suchen und fragen Theologen nach der Wahrheit menschlicher Existenz im Angesicht Gottes. Die Kunst fragt nach der Wahrheit, indem sie Bilder schafft, die anstößig sind, die herausfordern, provozieren.
Die Frage nach der Wahrheit beschäftigt uns gleichermaßen, den Theologen einerseits und den Maler Fritz Klier andererseits. Aus zwei Richtungen kommend, sind wir miteinander unterwegs, wollen wir miteinander, im intensiven Dialog, im gemeinsamen Suchen, die Betrachter der Bilder nicht nur einladen, sondern regelrecht herausfordern, sich dieser Wahrheit menschlicher Existenz zu stellen. Theologie will Leben deuten im Kontext des Evangeliums. Die Kunst hat ihre eigene Botschaft, die aber immer untrennbar mit einem konkreten Leben verbunden ist. Darum ist unsere Freundschaft und unser gemeinsamer Weg auch ein gutes Stück „Verkündigung“, eine Botschaft, in der Gott und Mensch vorkommen.
Nach der Begegnung mit Judas Iskariot, dem „Verräter“ richtet sich unser Blick auf eine andere Gestalt der Passionsgeschichte, auf den historisch sehr genau belegten Statthalter Pontius Pilatus.
Eigentlich war er eine Nebenfigur in dieser Geschichte. Er war selbst Teil eines gewaltigen Machtgefüges, Beamter des römischen Kaisers. Für ihn galt das Gesetz der Macht, hart und gnadenlos. Andererseits war er ein Populist, der sich dem Druck des Volkes beugte, um seine eigene Haut zu retten. Eiskalt berechnend spielte er mit Leben und Tod, und dieser Jesus, den ihm die Juden in die Hand gaben, wurde für ihn zum mörderischen Spielzeug.
Pontius Pilatus wird zum Richter, dessen Urteil keine Gnade kennt. Ein Menschenleben steht gegen die Angst vor dem Pöbel, gegen die Angst, das Gesicht zu verlieren. Pilatus, der so gnadenlos erscheint, hat Angst. Er und Jesus, beide werden Opfer dieser Angst.
Zwei Menschen stehen sich gegenüber: der mächtige Römer, der wehrlose, zerbrochene Jude Jesus. Am Ende siegt die Macht. Am Ende siegt die Angst.
Pontius Pilatus ist eine historische Figur, aber dieser Pilatus lebt auch heute noch. Immer noch werden Menschen zerbrochen, weil sie dem Gesetz der Macht im Weg stehen. Immer noch werden Urteile gefällt, „im Namen des Volkes“, aus Angst vor der Hetze, der Stimmung im Volk. Immer noch werden Menschen vernichtet, weil sie nicht in das Bild passen, in das sie gezwängt werden, weil sie unbequem sind, weil allein schon ihr Dasein zur Provokation wird.
Pilatus spricht das Urteil – seine Schuld am Tod des Wehrlosen ist seine Angst, seine menschliche Schwäche, seine eiskalte Berechnung der eigenen Macht.
Der „Fall Jesus“ wird zu seinem ganz persönlichen Fall. Der da so hoch oben war, fällt unter seiner Angst vor dem Urteil des Volkes.